Jakob Gerste
Von Nordhausen nach Auschwitz und wieder zurück

verschleppt ins KZ

Jakob Gerste wird am 6. Mai 1926 nahe Gotha geboren. Ab den 1930er Jahren lebt er mit seiner Familie in Nordhausen. Im März 1943 wird er von der Kriminalpolizei verhaftet und zusammen mit mehreren Geschwistern in das „Zigeuner-Familienlager“ nach Ausschwitz-Birkenau verschleppt. Dort werden seine Brüder Rudolf und Heinrich ermordet.

Bereits in Ausschwitz muss Jakob Gerste Zwangsarbeit als Maurer leisten. Im April 1944 überstellt ihn die SS über das KZ Buchenwald in das KZ Mittelbau-Dora. In Sichtweite seiner Heimatstadt Nordhausen muss er Zwangsarbeit auf Baustellen leisten. Er überlebt und wird im April 1945 in Bergen-Belsen befreit. Sein weiteres Leben verbringt er in Holzminden (Niedersachsen). Außer ihm hat nur seine Schwester Emma den Völkermord an den Sinti und Roma überlebt.

Familie Gerste in Nordhausen, um 1938.

V.l.n.r.: Anna, Rudolf, Jakob (stehend), darunter sitzend: Hermann Gerste, Mutter Blondine mit Sohn Heinrich, Emma und Erwin im rechten Bildrand. Der Vater Robert Wagner ist zu diesem Zeitpunkt bereits in das KZ Buchenwald eingewiesen worden.

(Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg)

Erwin Gerste (rechts) mit seinen Onkeln Fritz Petermann (Mitte) und Wilhelm Gerste (links) in Nordhausen, vor 1943.

(Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg)

Auftrag des Bauamtes der Stadt Nordhausen an die Firma Bernhard Thumann zur Umzäunung der „Zigeunerbaracke“ am Holungsbügel, 19. Mai 1939.

Wenige Monate nach diesem Auftrag zur Einzäunung wurde den Sinti und Roma im Oktober 1939 verboten, ihren Wohn- und Aufenthaltsort zu verlassen. Familie Gerste wird gezwungen, mit ihrem Wohnwagen auf das umzäunte Gelände neben der „Zigeunerbaracke“ am Stadtrand umzuziehen.

(Kreisarchiv Nordhausen)

„Die Gestapo von Nordhausen hat uns im März 1943 inhaftiert. Es war früh morgens. Wir mussten alles liegen lassen, nur was wir anhatten, durften wir mitnehmen“

Interview mit Jakob Gerste,
17. September 2000.

(Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg)

Häftlingspersonalkarte des KZ Buchenwald für Jakob Gerste, 17. April 1944.

Am 17. April 1944 überstellte die SS Jakob Gerste aus dem KZ Auschwitz nach Buchenwald. Als Wohnort seines Vaters wurde das Konzentrationslager Neuengamme angegeben. Die in roter Schrift versehene Bezeichnung „Dora“ verweist auf die wenig später erfolgte Überstellung nach Mittelbau-Dora. Das auf der Karte eingetragene Geburtsdatum ist fehlerhaft.

(Arolsen Archives)

Verschleppt ins KZ


Shraga Milstein (geb. Feliks Milsztajn)
Aus Polen nach Buchenwald und Bergen-Belsen

verschleppt ins KZ

Feliks Milsztajn wird 1933 in der polnischen Stadt Piotrków Trybunalski geboren. Im Oktober 1939 zwingen die deutschen Besatzer die jüdische Familie in ein Ghetto. Die Mutter wird 1944 in das KZ Ravensbrück deportiert; die beiden Brüder und den Vater bringt die SS Ende 1944 in das KZ Buchenwald. Dort stirbt der Vater.

Die SS überstellt Feliks Milsztajn im Januar 1945 zusammen mit anderen Kindern in das KZ Bergen-Belsen. Dort wird er am 15. April 1945 befreit. Später erfährt er, dass seine Mutter ebenfalls nach Bergen-Belsen verschleppt wurde. Sie starb kurz nach der Befreiung, ohne dass sich die beiden noch einmal wiedersahen.

Im Mai 1945 gelingt es dem 12-Jährigen, seinen in Buchenwald zurückgebliebenen 9-jährigen Bruder nach Bergen-Belsen bringen zu lassen. Wenig später kommen die beiden in ein Kinderheim nach Schweden, ehe sie 1948 nach Israel ausreisen. Dort ändert Feliks seinen Namen in Shraga Milstein und wird Lehrer sowie Leiter des Massuah Institute for Holocaust Studies. Seit 2019 ist er Vorsitzender des Beirates der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten.

Feliks Milsztajn (heute Shraga Milstein) mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder Markus (links), vor 1939.

Zum Zeitpunkt des Überfalls der Wehrmacht auf Polen und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs war Feliks Milsztajn sechs Jahre alt.

(privat)

Häftlingspersonalkarte des KZ Buchenwald für Feliks Milstajn (heute Shraga Milstein), 2. Dezember 1944.

Einen Monat später überstellte die SS den Jungen nach Bergen-Belsen. Auf der Karte ist als Geburtsjahr 1932 statt 1933 angegeben. Der Vater hatte seinen Sohn gegenüber der SS als ein Jahr älter ausgegeben, um ihn zu schützen.

(Arolsen Archives)

„Im November 1944 wurden wir in einem Viehwaggon nach Deutschland verfrachtet – mein Vater, mein Bruder und ich nach Buchenwald, meine Mutter nach Ravensbrück. Als wir uns am Bahnhof trennten, war das das letzte Mal, dass ich sie sah. Ein paar Tage nach unserer Ankunft in Buchenwald kam mein Vater abends mit einem strengen Blick in unsere Baracke zurück. Er nahm meinen Bruder und mich beiseite und sagte: ‚Wir müssen uns trennen und wir werden uns nicht mehr sehen. Pass auf Deinen jüngeren Bruder auf, merkt euch eure Namen und die Tatsache, dass ihr Familie in Palästina habt.' Er gab uns eine Umarmung und wir gingen schlafen. Später erfuhr ich, dass er am nächsten Tag im Alter von 43 Jahren getötet wurde. Alle meine Bemühungen im Laufe der Jahre, herauszufinden, was passiert war und woher er sein Schicksal kannte, waren vergeblich. Einige Wochen später wurde ich mit einer Gruppe von Freunden meines Alters in das Konzentrationslager Bergen-Belsen verlegt.“

Aus der Rede von Shraga Milstein zum Holocaustgedenktag im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York, 27. Januar 2020.

(United Nations)

Feliks Milsztajn (heute Shraga Milstein) mit anderen überlebenden jüdischen Kindern im Internat Torekulls in Billesholm, 1946.

In dem Heim nahe Malmö in Südschweden lebten ab 1945 jüdische Waisenkinder, die Buchenwald, Bergen-Belsen und andere Konzentrationslager überlebt hatten.

(privat)

Unterricht in Billesholm, 1946.

Erster von links: Feliks Milsztajn (heute Shraga Milstein). In dem Heim wurden die Kinder auf die Ausreise nach Israel vorbereitet. Rechts Egon Kux, Leiter des Heimes und Funktionär des HeHalutz (Dachverband zionistischer Jugendorganisationen).

(privat)

Verschleppt ins KZ


Joseph Schleifstein
(geb. Szlajfaztajn)
Als Dreijähriger in Buchenwald

verschleppt ins KZ

Am 7. März 1941 wird Joseph als Sohn von Israel und Esther Szlajfaztajn im polnischen Sandomierz geboren. Ende 1942 errichten die deutschen Besatzer ein Ghetto für Jüdinnen und Juden in der Stadt, bis zur Auflösung im Januar 1943 verbleibt die Familie dort. Im Januar 1945 wird die gesamte Familie ins Deutsche Reich deportiert. Esther kommt ins KZ Bergen-Belsen, Vater Israel und der dreijährige Joseph kommen am 20. Januar 1945 im KZ Buchenwald an. Mithilfe seines Vaters und weiterer Häftlinge überlebt er dort bis zur Befreiung.

1946 treffen Joseph und sein Vater die Mutter Esther im ehemaligen KZ Dachau wieder, 1947 emigriert die Familie in die USA und baut sich in New York ein neues Leben auf.

Die Geschichte von Joseph Schleifstein, der in einem Sack in das Lager Buchenwald geschmuggelt worden sein soll, diente 1997 als Grundlage für die international gefeierte italienische Tragikomödie La vita è bella von Roberto Benigni.

Joseph Schleifstein im befreiten Lager Buchenwald, nach dem 19. April 1945.

Seinen vierten Geburtstag verbrachte der Junge im März 1945 im KZ Buchenwald und war damit einer der jüngsten Häftlinge im Hauptlager.

(Gedenkstätte Buchenwald)

Joseph Schleifstein mit seinem Vater Israel an der deutsch-polnischen Grenze, Mai/Juni 1945.

Die gemeinsame Suche nach der Mutter Esther begann direkt nach der Befreiung.

(Gedenkstätte Buchenwald)

Joseph Schleifstein inmitten einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen aus dem befreiten KZ Buchenwald im Quarantänelager Rheinfelden in der Schweiz, Juni 1945.

Mit einem Kindertransport war der Junge zusammen mit anderen minderjährigen Überlebenden aus Buchenwald zur Erholung in die Schweiz gebracht worden. Später kam er wieder zu seinem Vater.

(Gedenkstätte Buchenwald)

Joseph Schleifstein wird in Dachau von einem Journalisten befragt und in seinem Häftlingsanzug fotografiert, 1946.

(United States Holocaust Memorial Museum)

Wieder vereint. Joseph Schleifstein mit seiner Mutter Esther und Vater Israel in Dachau, um 1946.

Im befreiten KZ Dachau hatte die US Army ein DP-Camp eingerichtet. Dort traf sich die Familie wieder. 1947 emigrierten sie in die USA.


(United States Holocaust Memorial Museum)

Verschleppt ins KZ


Naftali Fürst
Mit seinem Bruder aus Bratislava verschleppt

verschleppt ins KZ

Schmuel Fürst wird am 20. Februar 1931 in Bratislava (Slowakei) geboren, sein Bruder Naftali am 18. Dezember 1932. Die Brüder stammen aus einer jüdischen Familie. Ab 1942 müssen sie in einem Zwangsarbeitslager in Sered leben.

Anfang November 1944 wird die gesamte Familie nach Auschwitz-Birkenau deportiert, dort werden die Brüder von den Eltern getrennt. Die SS räumt Auschwitz im Januar 1945, der 13-jährige Naftali Fürst und sein 14-jähriger Bruder werden zum KZ Buchenwald getrieben. Tagelang sind die beiden bei Minusgraden unterwegs, zunächst zu Fuß, dann in einem offenen Viehwaggon. Nach der Ankunft in Buchenwald kommen sie in den Kinderblock 66 im Kleinen Lager.

Schwer krank erlebt Naftali am 11. April 1945 die Befreiung des Lagers. Sein Bruder wird tags zuvor von der SS auf einen wochenlangen Todesmarsch geschickt. Erst am 9. Mai wird er, dem Tode nahe, befreit. Im Sommer 1945 finden sich die Brüder und Eltern in Bratislava wieder. Später emigrieren sie nach Israel.

Naftali Fürst (rechts) zusammen mit seinem Bruder Schmuel, 1941.

Die beiden Brüder lebten zusammen mit ihren Eltern bis 1942 in Bratislava (Slowakei).

(privat)

Naftali Fürst im Kleinen Lager des KZ Buchenwald, 16. April 1945.

Nach seiner Ankunft in Buchenwald erkrankte Naftali Fürst schwer, er wurde ins Krankenrevier überstellt. Kurz nach der Befreiung fotografierten amerikanische Kriegsberichterstatter unter anderem die abgemagerten Häftlinge im Kleinen Lager. Naftali Fürst erkannte sich auf diesem Foto wieder.

(Foto: Harry Miller, Gedenkstätte Buchenwald)

Naftali Fürst (erste Reihe stehend, 5. v. links), nach seiner Befreiung zusammen mit anderen Kindern und Jugendlichen in Buchenwald, April 1945.

(Foto: Gérard Raphaël Algoet, Gedenkstätte Buchenwald)

„Vor 75 Jahren war ich ein zwölfjähriger Junge, der im Konzentrationslager Buchenwald befreit wurde. Ich kam aus Auschwitz – nach einem Todesmarsch und einem Transport im offenen Waggon bei einer Kälte von minus 25 Grad Celsius. Es war der 23. Januar 1945. Ich bin für mein großes Glück dankbar. Ich bedanke mich bei allen mutigen Männern dafür, dass sie 21.000 Häftlinge, die nur noch Haut und Knochen waren, darunter ca. 900 Kinder, befreiten.“

Aus der Rede von Naftali Fürst zum Gedenken an den 75. Jahrestag der Befreiung, 11. April 2020.

(Gedenkstätte Buchenwald)

„Allein auf der Welt, ohne Eltern, ohne Bruder, ohne Familie“. Interview mit Naftali Fürst über die Befreiung in Buchenwald im April 1945 und das Wiedersehen mit der Familie in Bratislava, 26. Januar 2021.

Zunächst glaubte Naftali Fürst, sein Bruder und seine Eltern hätten nicht überlebt. Im Sommer 1945 trafen sich die vier in Bratislava wieder.

(Gedenkstätte Buchenwald)

Verschleppt ins KZ


Jean Louis Netter
Ein jüdischer Schüler im KZ-Außenlager Holzen

verschleppt ins KZ

Jean Louis Netter wird am 29. August 1928 in Paris geboren. Seit der deutschen Besetzung lebt er mit seiner Familie in einem Internierungslager für Juden bei Toulouse. Von dort deportiert ihn die Gestapo mit seinem Vater im August 1944 nach Buchenwald. Die Mutter und die Schwester kommen in das KZ Ravensbrück.

Im Herbst 1944 überstellt die SS den 16-jährigen Jean Louis und seinen Vater in das Außenlager Holzen im Weserbergland. Dort müssen sie Zwangsarbeit für die Rüstungsvorhaben „Hecht“ und „Stein“ leisten und werden im April 1945 auf einen Todesmarsch nach Bergen-Belsen getrieben.

Durch die Hilfe ihrer Mitgefangenen überleben Vater und Sohn. Die Mutter stirbt im März 1945 im KZ Ravensbrück, die Schwester wird durch das Schwedische Rote Kreuz gerettet. Nach seiner Befreiung im KZ Bergen-Belsen kehrt Jean Louis Netter nach Frankreich zurück und wird später Fabrikant in Paris.

Porträt von Jean Louis Netter. Zeichnung seines französischen Mithäftlings Camille Delétang, 2. Januar 1945.

Camillle Delétang zeichnete 1944/45 in Holzen heimlich fast 200 Porträts von Mithäftlingen. Jahrzehntelang galten sie verschollen, bis sie 2012 in Celle auftauchten. Dort waren sie im April 1945 während eines Todesmarsches von Holzen nach Bergen-Belsen verloren gegangen.

(KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora)

Häftlingspersonalkarte des KZ Buchenwald von Jean Louis Netter, 6. August 1944.

Der 15-Jährige Jean Louis wurde im Lager Buchenwald als „Polit-Franzose, Jude“ registriert. Zum Wohnort seiner Angehörigen ist vermerkt: „Alle Verwandte verhaftet“.

(Arolsen Archives)

Karte der Arbeitsverwaltung im KZ Buchenwald für Jean Louis Netter, 1944.

Der handschriftliche Vermerk „tr Hecht“ [Transport Hecht] verweist darauf, dass der Schüler dem Untertage-Arbeitskommando „Hecht“ bei Holzen zugewiesen wurde. Ende 1944 bestand das Kommando „Hecht“ aus etwa 500 Häftlingen. Jean Louis Netter war der jüngste von ihnen.

(Arolsen Archives)

„…als ich einen französischen Häftling auf mich zukommen sah, der mir sagte: ‚Es scheint, dass Sie für das Krankenrevier einen Dolmetscher nötig haben.‘ Auf meine bejahende Antwort schlug er sich selbst vor, und ich akzeptierte ihn. Er fügte dann mit einigem Zögern […] hinzu, dass er seinen Sohn bei sich habe, der 15 Jahre alt sei. Ich verstand seinen Wunsch. […] So wurde Leo Netter der ‚Dolmetscher vom Revier‘ und Jean Louis, sein Sohn, Kalfaktor. Das war vielleicht nicht nach aller Geschmack, aber ich war sehr froh, meinen Dienst damit zu beginnen, dass ich dieses Kind vor den Arbeitskommandos schützte. Es hätte die Strapazen nicht überlebt, die dieser Winter mit sich brachte.“

Bericht von Armand Roux über die Rettung von Jean-Louis Netter, 1949.

Der französische politische Häftling Armand Roux wurde im September 1944 als Häftlingsarzt im KZ-Außenlager Holzen eingesetzt.

(Armand Roux, Im Zeichen des Zebras, Holzminden 2015)

„Der kleine Netter wurde ins Krankenrevier versetzt, wo er als ‚Stellvertreter‘ des Pflegers beschäftigt wurde. Er überlebte Dank der Fürsorge von Magister Homme und Dr. Roux.“

Bericht von Czesław Ostańkowicz über die Rettung des jungen Jean Louis Netter im Außenkommando Holzen, 1968.

Der polnische politische Häftling Czesław Ostańkowicz war Blockältester in Holzen.

(Czesław Ostańkowicz, Straszna góra Ettersberg, Łódź 1968)

Verschleppt ins KZ


Rolf Kralovitz
Als ungarischer Jude aus Leipzig nach Buchenwald

verschleppt ins KZ

Rolf Kralovitz wird 1925 geboren und verbringt seine Kindheit mit seinen Eltern und seiner Schwester Annemarie in Leipzig. Ab 1935 lebt der Vater in Ungarn. Von der 1942 beginnenden Deportation der Leipziger Jüdinnen und Juden in Ghettos im besetzten Osteuropa bleibt die Familie zunächst verschont, weil sie die ungarische Staatsbürgerschaft hat. Im Oktober 1943 werden Rolf, seine Mutter und seine Schwester aber doch von der Gestapo verhaftet. Mutter und Schwester werden nach Ravensbrück deportiert und dort ermordet, der 18-jährige Rolf wird in das KZ Buchenwald eingewiesen.

Dort kommt er in das Maurerkommando und ist zusammen mit anderen jüdischen Häftlingen in Block 22 untergebracht. Zeitweise arbeitet er im Lager auch als Friseur für die SS und Funktionshäftlinge. Am 11. April 1945 wird er in Buchenwald befreit.

Im Mai 1945 kehrt Rolf Kralovitz nach Leipzig zurück und siedelt 1946 nach Westdeutschland über. Er wird ein bekannter Schauspieler und Autor, 2015 verstirbt er in Köln.

Rolf Kralovitz als 14-Jähriger in Leipzig, 1939.

In seiner Heimatstadt wird Rolf Kralovitz im November 1938 mit 13 Jahren Zeuge der Pogromnacht.

(Nachlass Rolf Kralovitz)

Rolf Kralovitz als 14-Jähriger (hintere Reihe, zweiter von links) mit Freunden auf dem Schulhof der Carlebach-Schule, 1939.

Weil ihm der Besuch einer staatlichen Schule verboten war, besuchte Rolf Kralovitz seit 1935 die von Ephraim Carlebach geleitete „Höhere Israelitische Schule“ in Leipzig.

(Nachlass Rolf Kralovitz)

Bescheinigung über die ungarische Staatsangehörigkeit von Rolf Kralovitz, 6. April 1943.

Bis zur Besetzung Ungarns durch die Wehrmacht im Frühjahr 1944 schützte die ungarische Staatsangehörigkeit Jüdinnen und Juden vor der Deportation in Vernichtungslager. Max Kralovitz, der Vater von Rolf, lebte seit 1935 in Ungarn, konnte die Familie aber nicht nachholen. 1944 wurde er nach Auschwitz-Birkenau deportiert und ermordet.

(Nachlass Rolf Kralovitz)

Häftlingspersonalkarte des KZ Buchenwald von Rolf Kralovitz, 12. Oktober 1943.

Am 12. Oktober 1943 wurde Rolf Kralovitz mit vier weiteren männlichen Juden aus Leipzig in das KZ Buchenwald eingewiesen und als ungarischer jüdischer Häftling erfasst. Der Stempel „Hollerith erfaßt“ verweist darauf, dass seine Daten in einer Lochkarten-Kartei erfasst wurden. Diese dienten der Organisation der KZ-Zwangsarbeit.

(Nachlass Rolf Kralovitz)

Aufnahmebogen der Schreibstube im KZ Buchenwald für Rolf Kralovitz, 12. Oktober 1943.

Der handschriftliche Vermerk „Dikal“ („Darf in kein anderes Lager“) wurde von der Gestapo für jüdische Häftlinge angegeben, die die Staatsbürgerschaft eines verbündeten oder neutralen Landes hatten. Die Gestapo wollte den Zugriff auf diese Häftlinge behalten und verhindern, dass sie in andere Lager überstellt werden.

(Arolsen Archives)

Verschleppt ins KZ


Edouard Troupenat
Als Résistance-Kämpfer nach Buchenwald verschleppt

verschleppt ins KZ

Edouard Troupenat wird am 31. August 1924 als einer von drei Söhnen des Landwirts Louis Henri Troupenat und seiner Frau Agathe in La Chapelle, einem kleinen Dorf in den französischen Alpen, geboren. Nach dem Schulabschluss wird Edourd Troupenat Landarbeiter.

1943 schließt er sich im Alter von 18 Jahren der Résistance an und beteiligt sich an militärischen Untergrundaktionen gegen die deutschen Besatzer. Im Mai 1944 verhaftet ihn die deutsche Feldgendarmerie. Mitte August wird er aus dem Lager Compiègne bei Paris in das KZ Buchenwald deportiert. Von dort überstellt ihn die SS im September 1944 in das Außenlager Holzen (Südniedersachsen), wo er Zwangsarbeit für eine Untertagefabrik des Volkswagenwerkes leisten muss.

Im April 1945 überlebt er einen Todesmarsch von Holzen in das KZ Bergen-Belsen, stirbt dort jedoch am 5. Mai 1945, drei Wochen nach der Befreiung durch britische Truppen. Er wird 20 Jahre alt.

Effektenkarte des KZ Buchenwald für Edouard Troupenat, 22. August 1944.

Die auf der Karte angegebenen Gegenstände musste Edouard Troupenat bei der Ankunft im KZ Buchenwald abgeben.

(Arolsen Archives)

Karteikarte der Arbeitsverwaltung im KZ Buchenwald für Edouard Troupenat, September 1944.

Unter „KDO.“ (Arbeitskommando) ist „Hecht“ eingetragen, die Tarnbezeichnung für das Außenlager und Rüstungsprojekt bei Holzen im Weserbergland.

(Arolsen Archives)

Porträtzeichnung von Edouard Troupenat, angefertigt von seinem französischen Mithäftling Camille Delétang im Außenlager Holzen, 12. März 1945.

Einige Wochen später war Edouard Troupenat tot. Die Zeichnung ist sein letztes Lebenszeichen.

(KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora)

Verschleppt ins KZ


Erich Davidsohn
Als jugendlicher „Aktionsjude“ in Buchenwald

verschleppt ins KZ

Erich Davidsohn kommt 1922 als einziges Kind von Robert und Elfriede Davidsohn in Hannover auf die Welt. Er wächst im niedersächsischen Salzhemmendorf (Landkreis Hameln) auf. Die Davidsohns betreuen die kleine Synagoge, im Ort sind sie neben einer anderen Familie die einzigen Juden. 1935 beginnt Erich eine Lehre in der Schlachterei seines Vaters.

In den frühen Morgenstunden des 10. November 1938 plündern SA-Männer die örtliche Synagoge und zerstören die Inneneinrichtung. Erich Davidsohn und sein Vater werden in „Schutzhaft“ genommen und über das Zuchthaus Hameln nach Buchenwald deportiert. Dort werden ihnen die Köpfe geschoren, der Alltag wird durch tägliche Schläge und Hunger bestimmt.

Anfang Dezember 1938 entlässt die SS den 16-jährigen Erich Davidsohn, vermutlich wegen seines jugendlichen Alters, aus dem KZ Buchenwald. Sein Vater folgt wenige Tage später. Am 6. Februar 1939 gelingt Erich die Auswanderung nach England. Vater, Mutter und die Cousine wandern nach Argentinien aus.

Erich (links) zusammen mit seiner Mutter Elfriede, dem Vater Robert Davidsohn sowie seiner Cousine Juliane Guttmann in Hannover, 1939.

Bereits 1935 hatte sich der Vater Robert Davidsohn um eine Ausreise seiner Familie nach Südamerika bemüht. Doch erst am 16. Juni 1939, einige Monate nach seiner Rückkehr aus Buchenwald, gelang es ihm, gemeinsam mit seiner Frau Elfriede und Nichte Juliane nach Buenos Aires zu reisen. Erich Davidsohn reiste bereits im Februar 1939 nach England aus. Seine Mutter hatte ihn für einen „Kindertransport“ angemeldet, während er in Buchenwald inhaftiert war. Seine Eltern hat er nie wiedergesehen.

(privat/Mel Davidson)

Erich Davidsohn, wenige Tage nach seiner Entlassung aus dem KZ Buchenwald, Dezember 1938.

(privat/Mel Davidson)

„Nach der ersten Woche wurden die Namen aufgerufen und die Freigaben begannen. Am Morgen des 6. Dezember wurde mein Name aufgerufen. Man musste zum Tor eilen, sonst verpasste man die Entlassung. Eine kurze Verabschiedung mit meinem Vater und ich war weg. Wir mussten den ganzen Tag in der Nähe der Büros in der Schlange stehen und uns nicht bewegen. Es gab kein Essen und, was das Schlimmste war, wir durften nicht auf die Toilette gehen. Dann wurde uns Geld für die Bahnfahrt gegeben und wir wurden mit Bussen zum Bahnhof gebracht. Einige von uns stiegen direkt in den Zug nach Hannover und wir kamen mitten in der Nacht an. Die anderen Leute im Zug hielten sich von uns fern, vielleicht weil sie wussten, wer wir waren und wo wir gewesen waren. Und natürlich waren wir sehr schmutzig und haben buchstäblich gestunken.“

Erich Davidsohn erinnert sich an seine Entlassung aus dem KZ Buchenwald, nach 1939.

(https://pogrome1938-niedersachsen.de/salzhemmendorf/)

Stolperstein in Salzhemmendorf für Erich Davidsohn, 7. März 2020.

(CC)

Weiterführende Informationen:

Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, Pogrome 1938 in Niedersachsen, Salzhemmendorf:
pogrome1938-niedersachsen.de.

Verschleppt ins KZ


Kurt Ansin
Ein Sinto aus Magdeburg

verschleppt ins KZ

Kurt Ansin wird am 2. Oktober 1921 geboren. Er wächst in Magdeburg auf. Die dort lebenden Sinti:zze werden ab Mitte der 1930er Jahre aus dem städtischen Leben verbannt und dauerhaft unter Polizeiaufsicht gestellt. Familie Ansin muss ab 1938 im „Zigeunerlager“ Holzweg leben.

Im Zuge der „Aktion Arbeitsscheu Reich“ verhaftet die Kriminalpolizei Kurt Ansin im Juni 1938 und weist ihn zusammen mit seinem Vater in das KZ Buchenwald ein. Dort stirbt der Vater. Kurt Ansin wird 1939 entlassen und kehrt nach Magdeburg zurück. 1943 wird er jedoch erneut verhaftet und mit seiner Familie in das „Zigeuner-Familienlager“ Auschwitz-Birkenau deportiert. Von dort überstellt ihn die SS 1944 über Buchenwald in das Außenlager Ellrich-Juliushütte des KZ Mittelbau-Dora.

Kurt Ansin überlebt, doch fast alle Angehörigen wurden ermordet. Kurt Ansin heiratet und gründet eine Familie mit acht Kindern. 1984 stirbt er mit nur 61 Jahren an den körperlichen und seelischen Folgen seiner Lagerhaft.

(Bundesarchiv)

Kurt Ansin, Februar 1940.

Mitarbeiter der „Rassenhygienischen Forschungsstelle“ unter der Leitung von Robert Ritter und Eva Justin nahmen dieses Foto von Kurt Ansin im Magdeburger Zwangslager auf. Kurz zuvor hatte die Magdeburger Polizei alle Sinti:zze als angeblich Kriminelle erfasst und eine „Zigeunerkartei“ angelegt.

(Gedenkstätte Buchenwald)

Kurt Ansin (rechts) im Alter von 15 Jahren mit einem Freund, 1937.

Bis 1938 lebte Kurt Ansin zusammen mit seiner Familie in Dessau-Roßlau. Er gehörte zu den wenigen Überlebenden der dortigen Minderheit der Sinti:zze. Sein gleichaltriger Freund neben ihm wurde, wie auch seine Geschwister, in Auschwitz ermordet.

(Hanns Weltzel/ University of Liverpool Library)

Das „Zigeunerlager“ am Großen Silberberg in Magdeburg.

Im Mai 1935 wurde durch die Stadt Magdeburg das „Zigeunerlager“ Magdeburg Holzweg eingerichtet, in das Kurt Ansin zusammen mit den anderen Sinti*zze aus Anhalt kurz vor seiner Verhaftung 1938 abgeschoben wurde. In dem Lager lebten die Sinti*zze unter elenden Bedingungen und ständiger Überwachung durch die Polizei.

(Stadtarchiv Magdeburg)

Von Auschwitz zurück nach Buchenwald. Häftlingspersonalkarte von Kurt Ansin, 17. April 1944.

Im April 1944 wurde Kurt Ansin von der SS aus Auschwitz erneut nach Buchenwald und wenig später in die KZ-Außenlager Ellrich-Juliushütte und Harzungen geschickt. Dort musste er auszehrende Zwangsarbeit auf Baustellen leisten.

(Arolsen Archives)

„Mein Großvater war der einzige Überlebende von elf Geschwistern. Nur seine Mama und er sind übrig geblieben. Das muss man sich vorstellen: Die wollten uns wirklich ausradieren. Mein Großvater war später ein gebrochener und kaputter Mann. Aber wir sind ein sehr stolzes Volk. So war es das Ziel meines Großvaters, wieder einen großen Clan aufzubauen – auf dass wir wieder ganz viele werden.“

Bericht von Janko Lauenberger über seinen Großvater Kurt Ansin, August 2012.

Kurt Ansin zählte zusammen mit seiner Mutter Anna Donna Ansin und Adelheid Krause zu den drei einzigen Überlebenden des Magdeburger „Zigeunerlagers“. Trotzdem wurde er in der DDR zunächst nicht als Verfolgter des NS-Regimes anerkannt. Sein Enkel erinnert an die Familiengeschichte.

(TAZ)

Kurt Ansin und seine Frau Helene, genannt Kaula, undatiert (1970er Jahre).

Nach dem Krieg lebte Kurt Ansin mit seiner Familie in Berlin. Seine Frau Helene war eine Cousine von Erna Lauenburger, Spitzname Unku, die als Vorbild für den Roman „Ede und Unku“ von Grete Weißkopf diente.

(Reimar Gilsenbach)

Weiterführende Informationen:

Kurt Ansin. Ein Sinto aus dem Lager Magdeburg Holzweg (Audio)
buchenwald.de.

Verschleppt ins KZ