Jean Louis Netter
Ein jüdischer Schüler im KZ-Außenlager Holzen

Jean Louis Netter wird am 29. August 1928 in Paris geboren. Seit der deutschen Besetzung lebt er mit seiner Familie in einem Internierungslager für Juden bei Toulouse. Von dort deportiert ihn die Gestapo mit seinem Vater im August 1944 nach Buchenwald. Die Mutter und die Schwester kommen in das KZ Ravensbrück.

Im Herbst 1944 überstellt die SS den 16-jährigen Jean Louis und seinen Vater in das Außenlager Holzen im Weserbergland. Dort müssen sie Zwangsarbeit für die Rüstungsvorhaben „Hecht“ und „Stein“ leisten und werden im April 1945 auf einen Todesmarsch nach Bergen-Belsen getrieben.

Durch die Hilfe ihrer Mitgefangenen überleben Vater und Sohn. Die Mutter stirbt im März 1945 im KZ Ravensbrück, die Schwester wird durch das Schwedische Rote Kreuz gerettet. Nach seiner Befreiung im KZ Bergen-Belsen kehrt Jean Louis Netter nach Frankreich zurück und wird später Fabrikant in Paris.

Porträt von Jean Louis Netter. Zeichnung seines französischen Mithäftlings Camille Delétang, 2. Januar 1945.

Camillle Delétang zeichnete 1944/45 in Holzen heimlich fast 200 Porträts von Mithäftlingen. Jahrzehntelang galten sie verschollen, bis sie 2012 in Celle auftauchten. Dort waren sie im April 1945 während eines Todesmarsches von Holzen nach Bergen-Belsen verloren gegangen.

(KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora)

Häftlingspersonalkarte des KZ Buchenwald von Jean Louis Netter, 6. August 1944.

Der 15-Jährige Jean Louis wurde im Lager Buchenwald als „Polit-Franzose, Jude“ registriert. Zum Wohnort seiner Angehörigen ist vermerkt: „Alle Verwandte verhaftet“.

(Arolsen Archives)

Karte der Arbeitsverwaltung im KZ Buchenwald für Jean Louis Netter, 1944.

Der handschriftliche Vermerk „tr Hecht“ [Transport Hecht] verweist darauf, dass der Schüler dem Untertage-Arbeitskommando „Hecht“ bei Holzen zugewiesen wurde. Ende 1944 bestand das Kommando „Hecht“ aus etwa 500 Häftlingen. Jean Louis Netter war der jüngste von ihnen.

(Arolsen Archives)

„…als ich einen französischen Häftling auf mich zukommen sah, der mir sagte: ‚Es scheint, dass Sie für das Krankenrevier einen Dolmetscher nötig haben.‘ Auf meine bejahende Antwort schlug er sich selbst vor, und ich akzeptierte ihn. Er fügte dann mit einigem Zögern […] hinzu, dass er seinen Sohn bei sich habe, der 15 Jahre alt sei. Ich verstand seinen Wunsch. […] So wurde Leo Netter der ‚Dolmetscher vom Revier‘ und Jean Louis, sein Sohn, Kalfaktor. Das war vielleicht nicht nach aller Geschmack, aber ich war sehr froh, meinen Dienst damit zu beginnen, dass ich dieses Kind vor den Arbeitskommandos schützte. Es hätte die Strapazen nicht überlebt, die dieser Winter mit sich brachte.“

Bericht von Armand Roux über die Rettung von Jean-Louis Netter, 1949.

Der französische politische Häftling Armand Roux wurde im September 1944 als Häftlingsarzt im KZ-Außenlager Holzen eingesetzt.

(Armand Roux, Im Zeichen des Zebras, Holzminden 2015)

„Der kleine Netter wurde ins Krankenrevier versetzt, wo er als ‚Stellvertreter‘ des Pflegers beschäftigt wurde. Er überlebte Dank der Fürsorge von Magister Homme und Dr. Roux.“

Bericht von Czesław Ostańkowicz über die Rettung des jungen Jean Louis Netter im Außenkommando Holzen, 1968.

Der polnische politische Häftling Czesław Ostańkowicz war Blockältester in Holzen.

(Czesław Ostańkowicz, Straszna góra Ettersberg, Łódź 1968)