Abschreckung durch Zwangsarbeit: Arbeitserziehungs­häftlinge

Jugend im KZ Buchenwald

Von 1941 bis 1944 bestand im KZ Buchenwald ein Arbeitserziehungslager der Gestapo. Arbeitserziehungslager (AEL) dienten der Bestrafung für deutsche, vor allem aber ausländische Zivilarbeiter:innen, die sich angeblich der Arbeit verweigerten. Durch die zeitlich begrenzte „Arbeitserziehung“ sollte die Arbeitsdisziplin aufrecht erhalten bleiben.

Zwischen April 1941 und März 1944 wurden fast 2000 Jugendliche und Männer als „Arbeitserziehungshäftlinge“ in das KZ Buchenwald eingewiesen. Nach drei bis acht Wochen entließ die SS den Großteil wieder. Etliche überlebten die harte Zwangsarbeit aber nicht.

Ab November 1942 wies die Gestapo fast ausschließlich Kinder und Jugendliche aus der Sowjetunion in das AEL Buchenwald ein. Die jugendlichen Arbeitserziehungshäftlinge wurden gemeinsam im Block 8, dem späteren Kinderblock, untergebracht. Ab Mitte 1943 wurden die AEL-Häftlinge nicht mehr entlassen, sondern blieben fast alle als KZ-Häftlinge in Buchenwald.

Effektenkarte von Wasil Sawtschuk, 13. August 1942.

Am 13. August 1942 lieferte die Staatspolizei Halle den 12-jährigen Wasil Sawtschuk (in manchen Dokumenten Sowtschuk) ins Arbeitserziehungslager Buchenwald ein. Zehn Wochen später wurde er entlassen und in das Polizeigefängnis Halle überstellt. Wasil Sawtschuk war einer der jüngsten Arbeitserziehungshäftlinge in Buchenwald.

(Arolsen Archives)

Karteikarte des KZ Buchenwald für Tadeusz Gaszewski, 11. März 1944.

Den Schüler Tadeusz Gaszewski aus Litzmannstadt (Łódź) wies die Gestapo am 11. März 1944 in das KZ Buchenwald ein. Er war der letzte Häftling, der als Arbeitserziehungshäftling eingewiesen wurde.

(Arolsen Archives)

Häftlingspersonalkarte des KZ Buchenwald von Tadeus Gaszweski, 11. März 1944.

Zwar wurde Tadeusz Gaszewski als Arbeitserziehungshäftling in das KZ Buchenwald eingewiesen. Die SS registrierte ihn aber als Häftling in der Kategorie „politischer Pole – Jugendlich“. Ob Tadeusz Gaszewski überlebt hat, ist nicht bekannt.

(Arolsen Archives)

Zwangsarbeit im Rüstungswerk. Gleisanschluss der Buchenwald-Bahn in den Gustloff-Werken II, 1943.

1942 wurde in Buchenwald mit dem Bau des Gustloff-Werkes II begonnen. Nach seiner Fertigstellung sank das Interesse der SS an Arbeitserziehungshäftlingen, da vornehmlich KZ-Häftlinge im Werk eingesetzt wurden. 1943 richtete die Gestapo in Röhmhild im Thüringer Wald ein zentrales AEL für Thüringen ein. In das AEL Buchenwald wurden fast nur noch Jugendliche eingewiesen. Sie mussten in den besonders schweren Schacht- und Baukommandos auf dem Gelände des Gustloff-Werkes II oder im Bahnbau arbeiten, etliche starben.

(Gedenkstätte Buchenwald)

„Im Baukommando I hatten wir 250 Jugendliche, Bürger der SU, Polens und Juden. Wir suchten Lösungswege, um die Jugendlichen vor dem Untergang zu retten. […] Etwa 150 Jugendliche mussten Mauersteine vom Lagerplatz, wo die Steine lagerten, etwa 2000 m bis zu den Baustellen der Gustloff-Werke II (Hallenbau) tragen.
Den ersten Tag trugen sie 2 Mauersteine auf den Schultern, in den Händen oder Armen. Den zweiten Tag wurden sie von den Kontrollposten der SS-Scharführer Schmidt u. a. auf dem Lagerplatz zum Tragen von 4 Steinen gezwungen. Die SS-Scharführer begannen wie tollwütige Hunde: Wollt Ihr die Steine nicht schneller tragen oder aufnehmen und wollt Ihr schneller laufen? Und sind noch einige 100 m mitgelaufen; die Jugendlichen wurden geschlagen, und die Folge war, dass viele gestürzt sind, vor Angst ließen sie die Steine fallen. Das hatte zur Folge, dass halbe Steine zur Baustelle gebracht wurden.“

Bericht von Ernst Plaschke über die AEL-Häftlinge als Zwangsarbeiter in Buchenwald, April 1979.

Vor allem ungelernte jugendliche AEL-Häftlinge mussten besonders schwere Zwangsarbeit leisten. Ernst Plaschke war in Buchenwald Kapo des Baukommandos I. Nach seiner Befreiung schilderte der einstige politische Häftling die Bedingungen, unter denen die Jugendlichen Steine auf die Baustelle des Gustloff-Werkes II schleppen mussten.

(Gedenkstätte Buchenwald)

Weiterführende Informationen:

Lebendiges Museum Online: Arbeitserziehungslager im Deutschen Reich. Deutsches Historisches Museum
dhm.de.

Jugend im KZ Buchenwald


Begrenzter Schutzraum:
Die Kinderblocks 8 und 66

Jugend im KZ Buchenwald

Kinder waren den Gefahren des Lagers besonders schutzlos ausgeliefert. Um sie zu schützen, richteten politische Funktionshäftlinge im Juli 1943 im Block 8 des Hauptlagers einen Kinderblock ein. Im Kleinen Lager diente ab Januar 1945 die Baracke 66 als Kinderblock.

Die meisten Jugendlichen in den Kinderblocks waren zwischen 14 und 17 Jahre alt. Sie mussten nicht arbeiten, bekamen aber auch nur die Hälfte der geringen Essensrationen. Hunger war allgegenwärtig, doch bis Mitte 1944 war es möglich, illegalen Unterricht und kleine kulturelle Veranstaltungen zu organisieren.

Trotz aller Bemühungen der politischen Funktionshäftlinge, es zu verhindern, schickte die SS immer wieder Kinder auf Vernichtungstransporte u.a. nach Auschwitz. Am 10. April 1945 drang die SS in das Kleine Lager ein und schickte viele Minderjährige auf Todesmärsche. Bei der Befreiung am 11. April leben noch 900 Kinder und Jugendliche. Mindestens 1600 waren gestorben.

„ […] als wir in beißender Kälte und tiefem Schnee draußen am Appell standen, teilte der Blockälteste mit, dass sich alle Jugendlichen bis 16 zur Überführung in einen Kinderblock bei ihm melden sollten. Nach kurzer Pause brach plötzlich Panik aus. Wir alle witterten eine List. Die Jugendlichen hatten genug Erfahrung gesammelt, jeder dachte, dass es ein Trick sei, um uns fertig zu machen […]. Natürlich meldeten sich die meisten gleich zum Transport, für fast alle war es eine schicksalshafte Entscheidung. Nur sehr wenige von ihnen haben überlebt. Nach den Erfahrungen, die ich inzwischen in Buchenwald sammelte, hatte ich das Gefühl, dass man dem Blockältesten glauben könne.“

Bericht von Robert J. Büchler, 1994.

Robert J. Büchler (1929–2009) wurde als Jude verfolgt, die SS deportierte ihn im Januar 1945 im Alter von 16 Jahren von Auschwitz nach Buchenwald. Er wurde von Mithäftlingen im Kinderblock 66 des Kleinen Lagers untergebracht. Einen Tag vor der Befreiung schickte ihn die SS auf einen Todesmarsch, von dem er fliehen konnte.

(Robert J. Büchler, Am Ende des Weges. Kinderblock 66 im Konzentrationslager Buchenwald, in: Dachauer Hefte 6, 1994)

Antonín Kalina (vorne rechts) vor dem Block 66 im Kleinen Lager, nach dem 11. April 1945.

Ab Ende 1944 war der tschechische Kommunist Antonín Kalina (1902-1990) als Blockältester für die Kinder und Jugendlichen im Block 66 zuständig. Er nutzte seine Kontakte zum Lagerwiderstand und änderte Anfang April 1945 die Namen jüdischer Kinder, um sie vor den Todesmärschen zu schützen. Öffentliche Anerkennung für den 1939 nach Buchenwald Verschleppten gab es erst nach seinem Tod. 2012 wurde er durch die Gedenkstätte Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt.

(Gedenkstätte Buchenwald)

Befreite Jugendliche sitzen vor dem Block 62 im Kleinen Lager, zwischen dem 11. und 15. April 1945.

Im Kleinen Lager, in dem noch schlimmere Bedingungen als im Hauptlager herrschten, waren 1944/45 besonders viele Kinder und Jugendliche untergebracht. Sie waren mit Transporten aus den geräumten Lagern in Osten, u.a. aus Auschwitz, nach Buchenwald gekommen.

(Gedenkstätte Buchenwald)

Befreite Jugendliche vor dem Kinderblock 66, nach dem 11. April 1945.

Der von Funktionshäftlingen errichtete Kinderblock 66 rettete viele Kinder und Jugendliche vor der Deportation zur Zwangsarbeit in Außenlagern und damit vor dem Tod. Im Kinderblock waren die Jugendlichen auch besser vor Übergriffen durch erwachsene Mithäftlinge geschützt.

(Gedenkstätte Buchenwald)

Rettung durch Verlegung. Verlegungsliste der Häftlingsschreibstube, 26. Januar 1945.

Kinder und Jugendliche wurden gezielt in die Kinderblocks 8 und 66 verlegt. Allerdings gab es nur begrenzte Rettungsmöglichkeiten; nicht alle Minderjährigen konnten beschützt werden.

(Arolsen Archives)

Verlassene Unterkunft im Kinderblock 66 des Kleinen Lagers, April/Mai 1945.

Die primitiven dreistöckigen Holzverschläge als Betten waren charakteristisch für die Holzbaracken im Kleinen Lager. Kurz vor der Befreiung trieb die SS etliche Häftlinge auf Todesmärsche. Auf der Suche nach jüdischen Gefangenen wurden die Baracken durchsucht und verwüstet.

(Foto: Alfred Stüber, Gedenkstätte Buchenwald)

Jugend im KZ Buchenwald


Rettungsinitiativen: Maurerschule und Polenschule

Jugend im KZ Buchenwald

Unter dem Vorwand, Fachkräfte für die deutsche Kriegswirtschaft ausbilden zu lassen, starteten politische Funktionshäftlinge um den Kapo des Baukommandos Robert Siewert im Herbst 1939 eine Rettungsinitiative für jugendliche polnische Häftlinge: Sie überzeugen die SS von der Idee eines Maurerlehrlings-Kommandos. Mit der Maurerschule sollten die Minderjährigen vor der kräftezehrenden Zwangsarbeit in anderen Arbeitskommandos geschützt werden.

Im Frühjahr 1942 gelang es politischen Funktionshäftlingen, die sogenannte Polenschule einzurichten. Unter dem Vorwand, Sprachschwierigkeiten in den Arbeitskommandos überwinden zu müssen, organisierten sie für die Jugendlichen Deutschunterricht. Auch die Polenschule schützte vor auszehrender Zwangsarbeit.

Vor allem für polnische und später auch für jüdische Kinder und Jugendliche erhöhten sich durch die Maurer- und die Polenschule die Chancen auf ein Überleben im Lager.

Rettung durch das Mauererkommando. Holzschnitt „Durch Arbeit“ aus der Serie „Eine Freundschaft“ von Herbert Sandberg, 1947/49.

Der deutsche Grafiker, Karikaturist und Widerstandskämpfer Herbert Sandberg (1908–1991) durchlebte zehn Jahre Haft, die letzten sieben Jahre im KZ Buchenwald. Im April 1944 zeichnete er in Buchenwald eine Skizzenfolge, die seinen Weg seit der Einlieferung im Juli 1938 erzählt. Er arbeitete mit Ofen-Ruß und Schlämmkreide auf Papier und Leinenresten. Sandberg wurde 1941 in einer Gruppe jüdischer Häftlinge im Maurerhandwerk ausgebildet – das bewahrte ihn, als „nützlichen Arbeiter“, vor der Deportation nach Auschwitz. Nach der Befreiung fertigte er eine Serie mit den in Buchenwald entworfenen Zeichnungen an.

(Gedenkstätte Buchenwald)

„Die Kommunisten in der Häftlingsverwaltung erwirkten […] bei der SS die Erlaubnis, eine ‚Maurerschule“ einrichten zu dürfen. Im Lagerbau herrschte ‚Fachkräftemangel“. Offiziell sollte die Schule dazu dienen, Nachwuchs für das Baukommando anzulernen. Darum war sie ihm unterstellt und der Kapo des Kommandos ‚Maurer Truppengarage‘, Robert Siewert, erteilte den Unterricht. […] In dieser Schule überlebten wir den ersten Thüringer Winter.“

Bericht von Władysław Kożdoń, 2006.

Der polnische Pfadfinder Władysław Kożdoń (1922-2017) wurde im Oktober 1939 kurz nach seinem 17. Geburtstag in das KZ Buchenwald eingewiesen und kam in die Maurerschule.

(Władysław Kożdoń, „…ich kann dich nicht vergessen“. Erinnerungen an Buchenwald, Göttingen 2007)

Robert Siewert (links) im Gespräch mit dem „Buchenwaldkind“ Stefan Jerzy Zweig und Bruno Apitz (rechts) in Weimar, 9. Februar 1964.

Robert Siewert (1887-1973) war als Kapo eines Baukommandos Initiator der Maurerschule. 1945 wurde er Innenminister von Sachsen-Anhalt, verlor diesen Posten aber 1950 im Rahmen stalinistischer Säuberungen innerhalb der SED. Später arbeitete er im Bauministerium der DDR.

(Foto: Friedrich Gahlbeck, Bundesarchiv)

„Wir lernten neue Vokabeln in Deutsch kennen und mussten sie mehrmals wiederholen. Im Unterricht beschäftigten wir uns mit Grammatik, Rechtschreibung und Lesen. Es wurden auch Diktate geschrieben. Wir schrieben auf Schiefertafeln mit Griffeln, lasen von der Tafel und aus einigen Büchern. Bücher gab es wenige. Wir stellten Sätze zusammen, während die Fortgeschrittenen Nacherzählungen in der deutschen Sprache anfertigten und in Hefte schrieben.“

Erinnerungen von Włodzimierz Kuliński an den Unterricht in der Polenschule, undatiert.

Włodzimierz Kuliński wurde als 15-Jähriger aus Polen nach Buchenwald verschleppt. Der Deutschunterricht wurde von zwei polnischen Häftlingen erteilt. Am 29. November 1941 wurde der junge polnische Lehrer Henryk Sokolak mit Unterstützung des Lagerältesten Ernst Busse zum Leiter der Polenschule ernannt. Aufgrund der Bildungsunterschiede zwischen den Jugendlichen teilte Sokolak die Jungen in zwei Gruppen ein, um sie differenzierter unterrichten zu können.

(Gedenkstätte Buchenwald)

Jugend im KZ Buchenwald


1938: Als „Aktionsjuden“ nach Buchenwald verschleppt

Jugend im KZ Buchenwald

Im Zuge der Novemberpogrome 1938 wies die Gestapo 30.000 Juden in die Konzentrationslager ein. Unter fast 10.000 nach Buchenwald verschleppten Männern, von der SS als „Aktionsjuden“ bezeichnet, waren auch einige Jugendliche.

Das Lager war für die Aufnahme von 10.000 neuen Häftlingen überhaupt nicht vorbereitet. Improvisiert untergebracht, wurden die jüdischen Häftlinge Opfer von Demütigungen, Schikanen und Gewalt. Etliche Gefangene wurden auch von der SS ermordet oder starben an den Folgen der Haftbedingungen. Die meisten Überlebenden, darunter fast alle Jugendlichen, wurden nach einigen Wochen wieder freigelassen. Ziel des NS-Regimes war es zu diesem Zeitpunkt noch, die deutschen Jüdinnen und Juden durch Gewalt und Terror zur Auswanderung zu veranlassen.

Nach dem Novemberpogrom verhaftete jüdische Männer in Zivilkleidung sind auf dem Appellplatz des KZ Buchenwald angetreten, November 1938.

Da sich nur wenige Jugendliche unter ihnen befanden, sind sie auf dem von der SS gemachten Foto nicht zu erkennen.

(Gedenkstätte Buchenwald)

Schaulustige vor der brennenden Synagoge in der Gottschedstraße in Leipzig, 10. November 1938.

Überall im Deutschen Reich brannten die Nationalsozialisten im November 1938 die Synagogen nieder, drangen in Wohnungen und Geschäfte von Jüdinnen und Juden ein und misshandelten die Bewohner:innen. Vielfach sammelte sich vor den Synagogen ein schaulustiger Mob.

Anlass für die Pogrome war der Anschlag eines deutsch-polnischen Juden auf einen deutschen Diplomaten in Paris. Der staatlich organisierte Terror markierte den Übergang von der Ausgrenzung der Juden im Nationalsozialismus zu ihrer systematischen gewaltsamen Verfolgung.

(Sächsisches Staatsarchiv)

„Ich kam also in die Schule mit meinem Fahrrad und wollte es in den Fahrradkeller tragen. Und da kam mir schon einer entgegen und sagte: ‚Heute ist keine Schule, die Synagogen brennen.‘ Und ich fuhr dann los mit meinem Fahrrad in die Gottschedstraße. Und da sah ich die große Gemeindesynagoge brennen, lichterloh. Ein paar hundert Meter weiter die orthodoxe große Synagoge […] Dann fuhr ich durch die Stadt. Und da habe ich dann alle möglichen jüdischen Geschäfte gesehen, wo die Scherben auf dem Fußweg lagen, wo die Waren aus den Schaufenstern gerissen worden waren. Am Augustusplatz sah ich das große Konfektionshaus Bamberger & Herz brennen. Also es war furchtbar. Die ganze Stadt war voller Scherben. Auch am Brühl zum Beispiel. Am Brühl war ja berühmt, der internationale Pelzhandel, der sehr stark in jüdischen Händen war. Und da war auch sehr viel kaputt und sehr viel von der SA kaputt gemacht worden.“

„Heute ist keine Schule, die Synagogen brennen.“ Erinnerung von Rolf Kralovitz an den Novemberpogrom 1938 in Leipzig, Interview von 2008.

(Gedenkstätte Buchenwald)

Namensliste der Geheimen Staatspolizei von während der Novemberpogrome in Hanau festgenommen und nach Buchenwald verschleppten Juden, 11. November 1938.

Unter den Verhafteten befand sich auch der 18-jährige Schlosserlehrling Hans Berberich zusammen mit seinem Vater Sally.

(Arolsen Archives)

Im KZ Buchenwald ausgestellte Geldverwaltungskarte für Sally Berberich, 5. Dezember 1938.

Die Auflistung ist mit dem Vermerk durchgestrichen, dass Berberich am 10. Dezember entlassen wurde.

(Arolsen Archives)

Vom Polizeipräsidenten Frankfurt (Main) ausgestelltes Dokument zum Schicksal der Familie Berberich, 3. Juni 1950.

Dem Dokument zufolge wanderten Sally und Edith Berberich mit ihrem Sohn Hans nach Cochabamba in Bolivien aus. Die Vornamen werden in dem Dokument aus der Nachkriegszeit mit den von den Nationalsozialisten 1938 zwangsweise hinzugefügten Namen Israel bzw. Sara aufgeführt.

Die Novemberpogrome 1938 lösten eine Auswanderungswelle aus. Bis zum Kriegsbeginn verließen etwa 120.000 Jüdinnen und Juden das Deutsche Reich. Ihr Eigentum mussten sie zurücklassen.

(Arolsen Archives)

Jugend im KZ Buchenwald


„Aktion Arbeitsscheu Reich“ 1938

Jugend im KZ Buchenwald

1938 verdoppelten sich die Häftlingszahlen in den Konzentrationslagern. Im Rahmen der „Aktion Arbeitsscheu Reich“ (ASR) wies die Polizei über 10.000 Männer und einige hundert Frauen als angeblich “asozial” in die Lager ein – überwiegend Erwachsene, aber auch einige Jugendliche. Etwa 4000 Männer kamen nach Buchenwald, darunter etwa 1200 Juden. Die mit einem schwarzen Häftlingswinkel Markierten bildeten kurzzeitig die Mehrheit im Lager.

Als “asozial” oder auch “gemeinschaftsfremd” galten alle, die außerhalb der propagierten “Volksgemeinschaft” standen, etwa Arbeitslose, Bettler:innen, Landstreicher:innen sowie als „Zigeuner“ Verfolgte. Die Polizei arbeitete bei den Verhaftungswellen eng mit den Arbeits- und Wohlfahrtsämtern zusammen.

Erst im Jahr 2020 erkannte der Bundestag die als asozial Verfolgten als NS-Opfer an.

„Man nennt sie die Arbeitsscheuen. Es ist uns verboten, mit ihnen zu sprechen. Meistens sind es Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung, denen man hier im Lager das Arbeiten lernen will. Sie bekommen schwarze Markierung. […] Junge Menschen mit spindeldürren Beinen sollen hier unter Aufsicht der sattgefütterten SS das Arbeiten lernen. […] Die Unterbringung der „Arbeitsscheuen“ ist die Schändlichkeit selbst. In aller Eile ist eine große Baracke unterhalb der anderen Baracken aufgeschlagen, in der fast alle Inneneinrichtung fehlt. So hausen sie und sterben massenweise.“

Bericht vom politischen Häftling Moritz Zahnwetzer über die Ankunft der Verhafteten der „Aktion Arbeitsscheu Reich“ in Buchenwald 1938, 1946.

(Moritz Zahnwetzer: KZ Buchenwald. Erlebnisbericht Kassel 1946)

Häftlingspersonalkarte von Kurt Ansin, 1938.

Kurt Ansin wurde im Juni 1938 im Alter von 16 Jahren als „Zigeuner“ in das KZ Buchenwald eingewiesen. Seine Karteikarte stempelte die SS mit dem Kürzel „A.S.R.“ (Aktion Arbeitsscheu Reich). Kurt Ansin musste auf seiner Häftlingskleidung den schwarzen Winkel der sogenannten „Asozialen“ tragen.

(Arolsen Archives)

Stärkemeldung des KZ Buchenwald, 13. September 1938.

Mehr als die Hälfte der an diesem Tag insgesamt 7.658 Lagerinsassen waren „ASR“-Häftlinge.

(Staatsarchiv Weimar)

„Merkblatt zur Erfassung der Gemeinschaftsunfähigen“, Rassenpolitisches Amt Steiermark, Dezember 1942.

Zur Ideologie der „Volksgemeinschaft“ gehörte neben dem Rassismus auch der Leistungsgedanke. Menschen ohne Arbeit wurden als „unwert“ und als Ballast angesehen, weshalb sie durch Zwangsarbeit „diszipliniert“ werden sollten. Dabei wurde der Begriff „gemeinschaftsunfähig“ sehr weit gefasst.

(Landesarchiv Steiermark)

„Vorbeugende Verbrechensbekämpfung“. Erlass des Chefs der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes Reinhard Heydrich an die Kriminalpolizeileitstellen, 1. Juni 1938.

Die KZ-Einweisungen sogenannter Asozialer erfolgten 1938 in zwei Wellen. Der Erlass vom 1. Juni 1938 bildete die Grundlage der zweiten Verhaftungswelle im Juni 1938, der sogenannten Juni-Aktion.

(StA Marburg)

Jugend im KZ Buchenwald


Das Lager

Jugend im KZ Buchenwald

Im Juli 1937 trafen die ersten Häftlinge auf dem Ettersberg bei Weimar ein. Die SS zwang sie, ein Konzentrationslager für 8.000 männliche Häftlinge zu erbauen. Sowohl politische Gegner des Regimes als auch aus rassistischen und sozialen Gründen Verfolgte sollten dort interniert werden.

Das KZ Buchenwald entwickelte sich bis zum Kriegsende zum Mittelpunkt eines komplexen Lagersystems mit insgesamt 139 Außenlagern, in denen die Häftlinge Zwangsarbeit für die Rüstungsindustrie leisten mussten. Insgesamt waren in Buchenwald rund 280.000 Menschen inhaftiert, mehr als 56.000 starben.

In Buchenwald und seinen Außenlagern waren nicht nur Männer, sondern auch Frauen, Jugendliche und Kinder inhaftiert. Letztere waren besonders gefährdet, denn als Arbeitsunfähige hatten sie kaum Überlebenschancen. Um sie vor Zwangsarbeit und Deportationen in den Tod zu schützen, errichteten politische Häftlinge in ausgewählten Baracken Schutzräume für Kinder und Jugendliche.

Ankunft der ersten Häftlinge aus dem KZ Sachsenhausen im neuen KZ Buchenwald, Juli 1937.

Die Häftlinge wurden gezwungen, den Wald zu roden und sich ihre Baracken selbst zu errichten.

(Foto: Kriminalpolizeistelle Weimar, Gedenkstätte Buchenwald)

Jenseits des Stammlagers: Ein dichtes Netz aus Außenkommandos.

Die meisten Außenlager des KZ Buchenwald entstanden nach der Kriegswende ab 1942. Häftlinge wurden zu Aufräumungsarbeiten in den Städten und zur Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie eingesetzt.

(Studio IT’S ABOUT)

Innenraum des Krematoriums des KZ Buchenwald, 1943.

Bis 1940 wurden die Leichen der Häftlinge vom KZ Buchenwald im Städtischen Krematorium in Weimar verbrannt und registriert. Um die steigende Anzahl an Ermordeten zu verschleiern, wurde im KZ Buchenwald ab Sommer 1940 ein eigenes Krematorium errichtet. Die Verbrennungsöfen stammen von der Erfurter Firma Topf & Söhne, die auch die Verbrennungsöfen für das KZ Auschwitz herstellte.

Das Foto stammt aus einem Album, das Lagerkommandant Hermann Pister zu Repräsentationszwecken anlegen ließ.

(Musée de la Résistance et de la Deportation)

SS-Angehörige warten am KZ Buchenwald auf die Abfahrt eines Busses nach Weimar, 1942.

Eine Buslinie fuhr mehrmals täglich von Weimar zum KZ Buchenwald und verband beide Orte. Buchenwald und die Stadt Weimar waren eng miteinander verflochten.

(Gedenkstätte Buchenwald)

Kinder von SS-Angehörigen posieren vor einer Spielzeugkanone in der „Führersiedlung“ des KZ Buchenwald, 1943.

Auf dem Ettersberg lagen die Kasernen und Wohnsiedlungen der SS nur wenige Meter vom Lager entfernt. In der Führersiedlung wohnten die SS-Offiziere mit ihren Familien.

(Foto: Georges Angéli, Gedenkstätte Buchenwald)

Lagerstraße und Baracken im Kleinen Lager, nach der Befreiung, April/Mai 1945.

Im Kleinen Lager, das 1942 als Quarantänestation für Massentransporte eingerichtet wurde, herrschten katastrophale Bedingungen. Ab 1944 war es dauerhaft überfüllt; es herrschten Hunger und Tod. Politische Häftlinge schafften es, im Kleinen Lager mit Block 66 einen Zufluchtsort für zumeist jüdische Jugendliche einzurichten.

(Foto: Alfred Stüber, Privatbesitz)

Jurek Kestenberg über seine Erinnerungen an Buchenwald im Interview mit David P. Boder, Fontenay-aux-Roses (Frankreich), 31. Juli 1946.

Jurek Kestenberg wurde 1929 in Polen geboren und 1943 gemeinsam mit seinen Eltern vom Warschauer Ghetto nach Majdanek verschleppt. Im August 1944 wurde er nach Buchenwald deportiert. Dort überlebte er dank der Hilfe von Mitgefangenen. Nach der Befreiung reiste er im Juni 1945 mit einem Kindertransport nach Frankreich, wo Boder ihn auf Jiddisch befragte.

(„Voices of the Holocaust“, Illinois Institute of Technology)

Weiterführende Informationen:

Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Historischer Überblick zur Geschichte des KZ Buchenwald von 1937-1945:
buchenwald.de.

Förderverein Buchenwald e.V.: „Buchenwald war überall – die Errichtung eines Netzwerkes der Außenlager“:
aussenlager.buchenwald.de.

„Gedenksteine Buchenwaldbahn. Ein Projekt der Initiative „Gedenkweg Buchenwaldbahn“:
gedenksteine-buchenwaldbahn.de.

Jugend im KZ Buchenwald