Befreit auf dem Todesmarsch

Wegen der näher rückenden Fronten begann die SS Anfang 1945, die ersten Außenlager des KZ Buchenwald zu räumen und die Häftlinge zurück ins Hauptlager oder in andere Lager zu bringen. Anfang April 1945 rückten amerikanische Truppen in Thüringen vor. Nun entschied die SS, auch die Hauptlager Buchenwald und Mittelbau-Dora zu räumen. Teils erfolgten die Räumungstransporte in andere Lager per Bahn, teils trieb die SS die entkräfteten Häftlinge aber auch auf Fußmärsche. Tausende Männer, Frauen und Kinder starben in den Waggons, noch mehr auf den Todesmärschen.

Einigen Häftlingen, darunter auch Jugendlichen, gelang während der Räumungstransporte die Flucht. Sie versteckten sich und wurden von amerikanischen und sowjetischen Truppen befreit.

Todesmarsch, Flucht, Versteck. Magda Brown berichtet über ihre Befreiung im März 1945 in einem Interview, 2014.

Magda Brown (geb. Perlstein) wurde am 11. Juni 1927 in Miskolc (Ungarn) geboren. Als 17-Jährige wurde sie ins KZ Auschwitz deportiert, im gleichen Jahr folgte der Weitertransport zur Zwangsarbeit in einer Sprengstofffabrik im hessischen Allendorf. Das dortige KZ-Außenlager Münchmühle wurde im März 1945 von der SS geräumt, die Gefangenen Richtung Buchenwald getrieben. Auf dem Fußmarsch gelang der Jugendlichen die Flucht. Zusammen mit 20 anderen Frauen versteckte sie sich in einem Viehstall. Dort wurden sie von amerikanischen Soldaten befreit.

(privat/magdabrown.com)

Foto der Scheune, in der Magda Brown und andere Häftlinge des Buchenwald-Außenlagers Münchmühle sich 1945 verstecken, nach 1945.

Nach anderthalb Tagen im Versteck wurden Magda Brown und die anderen Frauen von zwei Soldaten der 6th Armored Division der US-Armee entdeckt und befreit.

(privat/magdabrown.com)

„Noch begreift keiner, dass wir zurückgelassen wurden. Es bewacht uns wirklich keiner mehr! Halina und einige Mädchen entschlossen sich ins Dorf zu gehen […]. Auf der Lichtung liegen die kranken und schwachen Frauen in blau-grau gestreifter Häftlingskleidung, deren Farbe nicht zu diesem frühlingshaften, frischen Grün passt.
Die Mädchen kehren zurück […]. Sie sind glücklich, lächeln, schreien, weinen vor Freude. DAS KRIEGSENDE!!! Dieses herrlichste Wort fällt unerwartet und gibt Kraft.
Die Frauen laufen in verschiedene Richtungen auseinander. Sie sind frei, endlich frei. Ich glaube es noch nicht. Wie ist das geschehen? ‚Im Dorf ist die sowjetische Armee, wir haben mit den Soldaten gesprochen‘, sagt eine Kameradin.“

Maria Brzęcka erinnert sich an ihre Befreiung durch sowjetische Soldaten am 5. Mai 1945, um 1990.

Maria Brzęcka und ihre Schwester Halina wurden Mitte April 1945 auf einen Todesmarsch aus dem Außenlager Meuselwitz Richtung Tschechien getrieben. Die vollkommen erschöpfte Maria wurde auf dem Marsch 15 Jahre alt. Kurz vor Prag setzten sich die SS-Wachen ab, die Häftlinge waren frei.

(Als Mädchen im KZ Meuselwitz–Erinnerungen von Maria Brzęcka-Kosk, Dresden 2016)

Notizen von Maria Brzęcka vom Todesmarsch, April/Mai 1945.

Auf dem Zettel notierte Maria Brzęcka die Stationen des Todesmarsches von Meuselwitz Richtung Prag.

(Gedenkstätte Buchenwald)

„Todesmarsch“, Aquarellzeichnung des polnisch-jüdischen Künstlers Walter Spitzer, 1945.

Walter Spitzer wurde am 14. Juni 1927 in Cieszyn geboren. Am 10. Februar 1945 kam der aus Polen Verschleppte nach einem Todesmarsch aus Auschwitz über das KZ Groß-Rosen in Buchenwald an. Der 17-Jährige wurde am 7. April 1945 von der SS auf einen weiteren Todesmarsch geschickt. Ihm gelang die Flucht, in der Nähe von Jena befreiten ihn amerikanische Soldaten.

(Ghetto Fighters’ House – Beit Lochamei HaGeta’ot)

Amerikanisches Sanitätspersonal behandelt einen 18-jährigen sowjetischen Überlebenden des Massakers von Gardelegen, April 1945.

In einer in Brand gesetzten Feldscheune am Stadtrand von Gardelegen ermordeten in der Nacht vom 13. auf den 14. April 1945 SS-Angehörige, Luftwaffensoldaten sowie Angehörige von Volkssturm und Reichsarbeitsdienst über 1000 KZ-Häftlinge. Sie waren mit Todesmärschen aus dem KZ Mittelbau-Dora und Lagern in Hannover in Gardelegen gestrandet. Unter den Ermordeten waren etwa 100 Jugendliche; namentlich bekannt sind drei Sechzehnjährige. Nur wenige Häftlinge überlebten das Massaker.

(NARA)

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