Befreit in Buchenwald und Mittelbau-Dora

Im Herbst 1944 begann die SS die Lager im Osten zu räumen. Zehntausende Häftlinge gelangten mit Räumungstransporten u.a. aus Auschwitz nach Buchenwald und Mittelbau-Dora. Darunter befanden sich auch viele Kinder und Jugendliche.

Anfang April 1945 erreichte die US-Armee Thüringen. Nun begann die SS mit der Räumung von Buchenwald und Mittelbau-Dora. Fast 70.000 Menschen trieb sie Richtung Dachau, Theresienstadt oder Bergen-Belsen. Viele überlebten die Fußmärsche und Bahntransporte nicht.

Am 11. April erreichten amerikanische Panzer den Ettersberg und zwangen die SS in die Flucht. Politische Häftlinge übernahmen die Kontrolle über das Lager. Damit war Buchenwald von außen und innen befreit. Unter den befreiten Menschen befanden sich knapp 900 Kinder und Jugendliche.

Im Südharz gelang es der SS, fast alle Lager des KZ Mittelbau vollständig zu räumen. Lediglich in den Lagern Dora und Boelcke-Kaserne blieben einige Hundert Kranke und Sterbende zurück. Sie wurden am 11. April von der US-Armee befreit.

„Was wird dann geschehen? Werden wir evakuiert? Aber wohin? Im Süden stoßen sie auf Halle zu... Im Norden nähert sich eine andere Angriffsspitze Hannover. Richtung Osten? Sicher nicht weit, denn 300 Kilometer von uns entfernt ist die russische Front. Wir haben große Furcht vor der Evakuierung, denn wir wissen, wie diejenigen aus Auschwitz und Groß-Rosen während des Transportes gelitten haben.“

Tagebucheintrag von Emile Delaunois, 1. April 1945.

Je näher die Befreiung rückte, desto unsicherer wurde die Lage für die Häftlinge. Sie fürchteten Todesmärsche und Massaker durch die SS. Emile Delaunois (geboren 1910 als Louis Lelong), war Schreiber im Außenlager Woffleben des KZ Mittelbau-Dora. Er starb kurz nach der Befreiung im KZ Bergen-Belsen.

(KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora)

Ermordete Häftlinge im Nordlager des Außenlagers Ohrdruf, 6. April 1945.

Anfang April begann die SS die Außenlager von Buchenwald zu räumen. Die Gefangenen schickte sie auf Transporte zurück ins Stammlager. In mehreren Außenlagern ermordete sie marschunfähige Häftlinge, so auch in Ohrdruf. In dem geräumten Lager rückten amerikanische Soldaten am 6. April 1945 ein.

(Gedenkstätte Buchenwald)

„Am nächsten Tag, dem 10. April, sollte auch unser Komplex evakuiert werden. Wir versteckten uns, wo wir konnten – im Hohlraum zwischen der Verschalung und Verkleidung der Barackenwand, im dunklen, muffigen und engen Raum unter dem Fußboden, unter und in den stickigen Strohsäcken, oder wir quetschten uns in irgendeine stinkende, mit Ungeziefer verseuchte Abwassergrube und weigerten uns, den Block zu verlassen.“

Bericht von Thomas Geve über sein Versteck im Kleinen Lager von Buchenwald, 1993.

Auch die Kinder und Jugendlichen aus Block 66 sollten kurz vor der Befreiung auf Transport gehen. Viele konnten sich verstecken und wurden, wie Thomas Geve (geboren 1929 als Stefan Cohn), am 11. April in Buchenwald befreit. Andere zwang die SS auf Todesmärsche, bei denen einige wenige unterwegs fliehen konnten oder von den Alliierten befreit wurden.

(Thomas Geve, Geraubte Kindheit, Konstanz 1993)

„Wir sind frei“, Zeichnung von Thomas Geve, Juni 1945.

Thomas Geve hielt seine KZ-Erfahrungen nach der Befreiung zeichnerisch fest. Ein Bild zeigt die Befreiung am 11. April in Buchenwald.

(Yad Vashem)

„Kameraden, wir haben das Lager in unserer Hand!“
Bericht von Rolf Kralovitz über die Befreiung, 1995.

Rolf Kralovitz war am Tag der Befreiung 19 Jahre alt und befand sich im Hauptlager. In diesem Interview berichtet er, wie er die Befreiung von „innen“ wahrgenommen hat.

(Gedenkstätte Buchenwald)

„Als Nachmittag die Tür aufging und es kamen zwei Uniformierte rein und diese Uniformen, die waren anders als diese, wo ich gewöhnt war zu sehen während sechs Jahren. Aber es sind nicht nur die Uniformen, sondern das Benehmen dieser zwei Soldaten hat mir zu Verstehen gegeben, dass ich endlich frei war. Tränen der Freude sind mir dann im Hals stecken geblieben.“

Erinnerung von Leon Reich an seine Befreiung in Buchenwald, 2015.

Anders als die Häftlinge im Hauptlager bekamen die Kinder und Jugendlichen im Block 66 des Kleinen Lagers nur wenig von den Vorgängen am Tag der Befreiung mit. Leon Reich erinnert sich in einem Interview für den MDR-Film „Die Kinder von Buchenwald“ an diesen Moment.

(MDR/Gedenkstätte Buchenwald)

Stefan Jakubowicz (heute Stephen B. Jacobs) während eines Appells nach der Befreiung, 1945.

Am Tag der Befreiung war Stefan Jacubowicz fünf Jahre alt. Er war mit seinem Vater und Bruder im Dezember 1944 nach Buchenwald verschleppt worden und hatte Dank der Unterstützung von politischen Häftlingen im Kleinen Lager überlebt. Im Juni 1945 wird er im Rahmen der Schweizer Hilfsaktion mit 300 anderen Kindern in die Schweiz gebracht. 2002 entwarf er das Denkmal für die Opfer des Kleinen Lagers in der Gedenkstätte Buchenwald.

(Gedenkstätte Buchenwald)

Befreite Häftlinge in der Boelcke-Kaserne in Nordhausen, 11. April 1945.

Im Außenlager Boelcke-Kaserne befreiten amerikanische Soldaten einige Hundert Häftlinge, darunter auch einige Kinder und Jugendliche. Amerikanische Sanitäter kümmerten sich um die Befreiten.

(Foto: Roberts, NARA)

Befreites Kind in der Boelcke-Kaserne in Nordhausen, April 1945.

(KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora)

Befreiter jugendlicher Häftling vermutlich in der Boelcke-Kaserne in Nordhausen, April 1945.

(United States Holocaust Memorial Museum)

„Es gab im Lager noch einige gehfähige Häftlinge, die sich vor der Räumung des Lagers im Krankenrevier versteckt hatten und nun begannen, etwas zu ‚organisieren‘. Sie verließen das Lager und brachten Brot, Milch, Butter, Speck, Kartoffeln und sogar Zigaretten mit, die sie in einer Fabrik in Nordhausen gefunden hatten.“

Bericht von Roger de Coster, um 1991.

Der damals 16-jährige Belgier gehörte zu rund 80 Häftlingen, die am 11. April 1945 von amerikanischen Soldaten im Krankenrevier des Lagers Dora befreit wurde.

(KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora)

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