Um zu überleben, brauchten Kinder und Jugendliche in den Lagern die Hilfe von Freund:innen, Familienangehörigen oder erwachsenen Mitgefangenen. Gerade für die Kinder waren Bindungen zu anderen Menschen wichtig, um den Lebenswillen nicht zu verlieren. Beziehungen halfen bei der Beschaffung von Essen und Kleidungstücken. Lebensrettend konnte es sein, mit Hilfe von Funktionshäftlingen einem leichteren Arbeitskommando zugewiesen zu werden.

Die meisten Kinder und Jugendlichen kamen alleine nach Buchenwald oder Mittelbau-Dora. Nur wenige waren in Begleitung ihrer Eltern oder Geschwister. Manche erlitten in den Lagern den Verlust ihrer Angehörigen.

„Und hier unten werde ich das Datum eintragen, wenn ich meine teure und geliebte Mutter und meinen Vater in Gesundheit wiedersehen werde“. Auszug aus den Aufzeichnungen von Alex Hacker, 10. Februar 1945.

In einem heimlich geführten Tagebuch gestaltete Alex Hacker bereits während der Haft im KZ Mittelbau-Dora einen Eintrag für den Tag seiner Heimkehr. Für das Datum ließ er eine Lücke stehen. Als er am 28. August 1945 in seine Heimatstadt Budapest zurückkehrte, konnte er die Leerstelle füllen.

(privat)

Ludwig Hamburger:
Das einzige Gute war, wir haben den Mut nicht verloren.
David Boder:
Sie haben den Mut nicht verloren – wie ist das gekommen?
Ludwig Hamburger:
Ich hab‘ immer im Sinn gehabt meine Eltern […] Wie ich ein Kind war [...] ja den Mut darf man nicht verlieren und ich habe immer meine Mutter gehört und an meine Mutter gedacht.

Ludwig Hamburger im Interview mit David P. Boder, 28. August 1946.

Ludwig Hamburger wurde 1927 in Katowice (Polen) geboren. Von dort wurde er 1941 gemeinsam mit anderen Jugendlichen in das KZ Auschwitz deportiert. Im Winter 1944 schickte ihn die SS auf einen Todesmarsch nach Buchenwald. Dort erlebte er die Befreiung und kam mit einem Hilfstransport in ein Auffanglager in Genf (Schweiz), wo David Boder ihn 1946 befragte. Seine Mutter sah er nach 1941 nicht mehr wieder.

(„Voices of the Holocaust“, Illinois Institute of Technology)

Naftali Fürst (links) und sein Bruder Shmuel in Bratislava, 1936.

Die Brüder Naftali und Schmuel Fürst kamen im Januar 1945 aus Auschwitz nach Buchenwald. Beide konnten durch die Hilfe von Funktionshäftlingen im Kinderblock 66 im Kleinen Lager untergebracht und dort geschützt werden. Naftali wurde dort am 11. April befreit, sein Bruder Schmuel wurde von der SS auf einen Todesmarsch getrieben und erst Anfang Mai 1945 befreit. Beide trafen sich im Sommer 1945 in Bratislava wieder.

(privat)

„Ich sage immer, dass in den Lagern die leichteste Sache war zu sterben, aufgeben und sterben. Die schwere Sache war weitermachen und kämpfen. Und da mussten wir kämpfen für unser Leben und jeder Schritt war Kampf. Und da kann ich auch sagen, ich bin überzeugt, dass darum, dass wir waren zwei Brüder zusammen, hat uns sehr geholfen. Wenn ich möchte allein sein, zehn Jahre alt, elf Jahre altes Kind, ich glaube ich könnte das nicht mitmachen, weil das war schrecklich. Wir waren todmüde, todhungrig, nass, das kann man sich nicht vorstellen.“

Naftali Fürst im Interview in Haifa, 2009.

Die beiden Brüder Naftali und Shmuel Fürst überlebten im Winter 1945 unter widrigsten Bedingungen den Todesmarsch aus dem KZ Auschwitz nach Buchenwald. Der Zusammenhalt der Brüder half ihnen im Kampf ums Überleben.

(erinnern.at)

Freundschaft im Konzentrationslager: Ludwig Hamburger im Interview mit David P. Boder, 26. August 1946.

Ludwig Hamburger und sein Freund überlebten einen Todesmarsch vom KZ Auschwitz nach Buchenwald und wurden dort befreit. Sie gingen anschließend gemeinsam in die Schweiz.

(„Voices of the Holocaust“, Illinois Institute of Technology)

Befreite jüdische Kinder in Buchenwald, 20. April 1945.

Zweiter von rechts in der zweiten Reihe ist Markus Milstein. Sein Bruder Shraga wurde im Januar 1945 nach Bergen-Belsen gebracht und dort befreit. Die Milstein-Brüder stammten wie andere Jungen auf dem Foto aus Piotrków Trybunalski und blieben in Buchenwald als Gruppe zusammen. Zu der Gruppe gehörte auch Israel Meir Lau (vordere Reihe, zweiter von rechts). Er war von 1993 bis 2003 aschkenasischer Oberrabbiner des Staates Israel.

(Gedenkstätte Buchenwald)

„Die Gruppe – das hat sehr geholfen, die Zeit zu überstehen“. Bericht von Shraga Milstein, Februar 2021.

Im Interview erwähnt er das Foto aus Buchenwald, auf dem sein befreiter Bruder Markus zu sehen ist.

(Gedenkstätte Buchenwald)

„Und ich habe mich mit diesem Jungen angefreundet. Das war Ende 1942. Ende 1944 oder Januar 1945, als ich in den Kinderblock in Buchenwald komme, ist dieser Junge auch dort. Ich erkenne ihn, und er erkennt mich, nach fast zwei Jahren. Wir sagen nichts. Das erste, was er macht: er nimmt die Hälfte seines Brotes und gibt sie mir. Und wissen Sie, ein Stück Brot in Buchenwald, das ist, kann ich Ihnen sagen, das Leben.“

Ein Stückchen Brot. Jack Aizenberg im Interview mit der USC Shoah Foundation, 8. Juli 1997.

Jack Aizenberg wurde als 16-jähriger im Winter 1944 nach Buchenwald deportiert. Dort kam er zusammen mit anderen Jugendlichen in den Kinderblock 66. Nach der Befreiung emigrierte er nach Manchester (England), wo er gemeinsam mit anderen ehemaligen Buchenwaldhäftlingen in ein Heim kam. Einige Zeit wohnte er dort auch mit seinem Freund Pinchas Koronitz zusammen, den er in Buchenwald kennengelernt hatte.

(Visual History Archive)