Ausgegrenzt – verfolgt – ermordet

Kinder von „Gemeinschaftsfremden“ wurden im NS-Staat ausgegrenzt und verfolgt. In „Euthanasie“-Anstalten töteten die Nationalsozialisten Tausende behinderter Jungen und Mädchen. 1,5 Millionen jüdische Kinder und Jugendliche sowie eine unbekannte Zahl junger Sinti und Roma kamen um. Sie starben in Ghettos und Lagern an den Folgen von Hunger, Gewalt und Zwangsarbeit, wurden von Mordkommandos erschossen oder in Gaskammern erstickt.
Viele Kinder aus der Sowjetunion und aus Polen wurden, teils mit ihren Eltern, zur Zwangsarbeit nach Deutschland gebracht. Das Mindestalter für ausländische Zivilbeschäftigte wurde im Laufe des Krieges immer weiter gesenkt. Zehntausende Säuglinge ausländischer Zwangsarbeiterinnen starben in deutschem Gewahrsam.

Auch deutsche Jugendliche mussten mit Verfolgung rechnen, wenn sie sich dem totalen Zugriff des Staates entzogen. Zehntausende wurden als Angehörige oppositioneller Jugendgruppen oder als vermeintlich schwer Erziehbare in Jugend-KZs eingewiesen.

Die 9-jährige jüdische Schülerin Alice Rosenthal muss für Ihr Schulfoto in Wiesbaden mit Hitlergruß posieren, 1934.

Nach der Machübergabe an die Nationalsozialisten 1933 war es für jüdische Schüler:innen zunächst noch möglich, staatliche Schulen zu besuchen. Nach den Pogromen im November 1938 wurde ihnen das verboten.

(United States Holocaust Memorial Museum)

Demütigung jüdischer Jungen vor ihren nichtjüdischen Mitschülern in einer Wiener Schule, 1938.

Auf der Tafel steht: „Der Jude ist unser größter Feind! – Hütet Euch vor dem Juden!“. Ab 1938 durften jüdische Kinder im Deutschen Reich, zu dem auch Österreich zählte, keine öffentlichen Schulen mehr besuchen.

(bpk)

SS-Angehörige führen nach der Niederschlagung des Warschauer Ghetto-Aufstands jüdische Kinder und Frauen ab, 16. Mai 1943.

Vermutlich überlebte kaum eine der abgeführten Personen. Als der Junge mit den erhobenen Händen galt lange Zvi Nussbaum (1935–2012), der das KZ Bergen-Belsen überlebte. Neuere Forschungen legen daran Zweifel nahe.

(bpk)

Ankunft eines Transportzuges an der Rampe des KZ Auschwitz-Birkenau, Mai 1944.

1944 deportierte die SS über 400.000 Jüdinnen und Juden aus Ungarn nach Auschwitz, darunter viele Kinder. An der Bahnrampe selektierten SS-Ärzte die meisten Kinder als arbeitsunfähig und ließen sie im Gas ersticken. Manchen gelang es, sich als älter auszugeben, um nicht sofort ermordet zu werden. Mehrere Tausend Kinder wurden in andere Konzentrationslager überstellt, auch nach Buchenwald und Mittelbau-Dora.

Das Foto stammt aus einem SS-Album.

(Yad Vashem)

Sinti und Roma im Arbeitslager Belzec, 1940.

In dem Lager im besetzten Polen waren im Frühjahr 1940 Sinti und Roma inhaftiert, die aus dem Deutschen Reich deportiert worden waren. Sie wurden im Mai 1940 in ein anderes Lager verlegt. Später nutzte die SS den Ort Bełżec als Vernichtungslager für Jüdinnen und Juden.

(akg-images / Fototeca Gilardi)

Abtransport von Kindern aus dem Pflegeheim Antonius in Fulda, 21. Juli 1937.

43 Kinder mit Behinderung wurden in ein Heim in Treysa (Hessen) verlegt. Etwa die Hälfte von ihnen wurde später in der „Euthanasie“-Anstalt Hadamar ermordet. Die anderen Kinder überlebten Dank der Rettungsaktion einer Krankenschwester.

(Antonius gGmbH, Fulda)

Erfassungsfoto auf der Arbeitskarte von Jan Farion, 1943.

Der 7-jährige polnische Junge musste in der Nähe von Aachen Zwangsarbeit auf einem Bauernhof leisten. Insgesamt wurden fast eine Million ausländische Kinder und Jugendliche zur Zwangsarbeit in das Deutsche Reich gebracht.

(Stiftung „Polnisch-Deutsche Aussöhnung“)

Rechnung für den Transport von Säuglingsleichen, 30. November 1944.

Die Kinder ausländischer Zwangsarbeiterinnen starben in einer vom Volkswagenwerk betriebenen „Ausländerkinder-Pflegestätte“. Insgesamt verhungerten in solchen Heimen zwischen 1943 und 1945 mehrere Zehntausend ausländische Kinder. Das Dokument aus Rühen nahe dem heutigen Wolfsburg diente als Beweisstück in einem britischen Kriegsverbrecherprozess.

(The National Archives, London)

Erfassungsfoto eines unbekannten Jungen im „Polenjugendverwahrlager“ Litzmannstadt (Łódź), November 1943.

In dem Lager im annektierten Westpolen waren zwischen 1942 und 1945 über 10.000 polnische Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre inhaftiert. Sie waren als Angehörige von Widerstandskämpfern, wegen „Verwahrlosung“ oder Diebstahl von Lebensmitteln verhaftet worden. In Moringen und in Ravensbrück gab es Jugend-Konzentrationslager, in denen auch deutsche Jugendliche inhaftiert waren.

(Zukunft braucht Erinnerung)

„Alle Rädelsführer [...] sind in ein Konzentrationslager einzuweisen. Dort muß die Jugend zunächst einmal Prügel bekommen und dann in schärfster Form exerziert und zur Arbeit angehalten werden [...] Der Aufenthalt im Konzentrationslager für diese Jugend muß ein längerer, 2–3 Jahre sein. Es muß klar sein, daß sie nie wieder studieren dürfen [...] Nur wenn wir brutal durchgreifen, werden wir ein gefährliches Umsichgreifen dieser anglophilen Tendenz in einer Zeit, in der Deutschland um seine Existenz kämpft, vermeiden können [...] Diese Aktion bitte ich im Einvernehmen mit Gauleiter und dem Höheren SS- und Polizeiführer durchzuführen.
Heil Hitler Ihr H. H.“

Swing-Jugend ins KZ: Auszug aus dem Schreiben von Heinrich Himmler, 26. Januar 1942.

Die Swing-Jugend war eine oppositionelle Jugendbewegung, die in vielen deutschen Großstädten vertreten war. Swing entsprach nicht den Vorstellungen der nationalsozialistischen Ideologie und galt als „entartete Musik“. SS-Chef Heinrich Himmler forderte ein hartes Durchgreifen der Polizei und die Einweisung der Jugendlichen in Konzentrationslager.

(Bundesarchiv)

Herrenkinder und Ausgegrenzte